Review

Marguerite Abouet: Aya

// Black HERstory Month

 

// Im Februar 2020 habe ich eine Reihe an Empfehlungen für Bücher von weiblichen bzw. female presenting Schwarzen, afrikanischen Autor*innen auf Instagram hochgeladen. Im deutschsprachigen Raum sind Schwarze Autor*innen ohnehin unterrepräsentiert, von Schwarzen Autor*innen Afrikas, die nicht in der europäischen oder amerikanischen Diaspora sozialisiert wurden, hört man so gut wie gar nichts. Als ich die Bücher empfahl versprach ich, sie beizeiten genauer zu rezensieren. Aufgrund der jetzigen COVID19-Krise habe ich dafür nun Zeit. Hier folgen also die besagten Rezension zu dem vierten Werk, das ich im Rahmen des Black History Month empfohlen habe. Ich nehme in diesen Rezensionen grundsätzlich Bezug auf die englischen Originalversionen (in manchen Fällen auch Übersetzungen) der Romane. Auf deutsche Übersetzungen weise ich hin.

4. Marguerite Abouet: Aya

Bei Aya handelt es sich um einen Graphic Novel Abouets mit autofiktionalen Elementen, der von 2006 bis 2010 als BD-Reihe erschien. Der BD wurde von Abouet entwickelt und geschrieben, die Zeichnungen stammen von Clément Oubrerie. Im Rahmen dieser Rezension fehlt mir der Platz, um die Geschichte des BDs in Frankreich und die Bedeutung solcher Veröffentlichungen wie Aya (oder, in anderem Kontext, Persepolis) vollkommen zu durchleuchten. Auch reicht der Rahmen hier nicht aus, die frankophone Kolonialisationsgeschichte im Verhältnis zu der englischen und deutschen zu betrachtet. Es sei aber an dieser Stelle wenigstens gesagt, dass, während die anglophon, unter Umständen auch die deutsch geprägte Kolonialgeschichte subsahar-afrikanischer Länder in Deutschland noch bei allem Unwissen eine bekanntere ist, die französische Kolonialisationsgeschichte und der Umgang mit aus ehemaligen Kolonien emigrierten Gebieten noch einmal speziell ist, und zumindest in Deutschland nicht zum Allgemeinwissen zählt.

In Aya geht es in verschiedenen Geschichten aus unterschiedlicher Perspektive oft auch um diesen französischen Einfluss und die Ausrichtung, in diesem Fall der Elfenbeinküste, nach Frankreich, und gleichzeitig um die Ablehnung dieser auferlegten Geschichte und das Erzählen einer eigenen. Die tituläre Aya gibt sich ganz ihrer Bildung hin, und hilft währenddessen ihren Familienmitgliedern und Personen in ihrem Umfeld, die schwierige Entscheidungen zu treffen haben. Aufgebaut sind die Geschichten dabei wie kleine Dramulette. Abouet schreibt sehr bewusst gegen Klischees an, das merkt man allen sechs Bänden stark an. Meistens gelingt das sehr gut, manchmal allerdings ist es gerade dieses Bemühen, das dann zum Erstarken von Klischees führt: Die gebildete Aya fungiert dann ab und an als deus ex machina, als magical other in ihrer eigenen Welt.

Der große Vorteil von Comics und Graphic Novels ist ja die Bildebene neben der Textebene, die ihrerseits mehrfache, sich zum Teil auch widersprechende Aussagen tätigen kann, gleichsam auch aufgrund des gezeichneten Mediums phantastische Elemente erlaubt und doch die Lesart und Reihenfolge des Lesens den Leser*innen überlässt. In Aya spielen insbesondere Farben wichtige Rollen, sowie Winkel und Strichfolgen, aber im Großen und Ganzen tritt trotz des visuellen Mediums die Bildebene zugunsten des Erzählten zurück. Die Straßen in den Panels sind voll und die Menschen ständig in Bewegung. Vor allem die Frauen, denn die Geschichte selbst spielt in den 1970gern, zu Zeiten des Booms in der Elfenbeinküste. Zu dieser Zeit, nach dem langsamen Entstehen einer Mittelschicht in der Elfenbeinküste, organisieren sich Frauen, um ihre Rechte geltend zu machen. Die Vorstellung von Geschlechtergerechtigkeit folgt damals zwar traditionellen, afrikanischen Vorbildern, wird aber wesentlich durch französische Ideen geprägt. Je stärker sich Frauen in den Siebzigern nach Frankreich ausrichteten, in Bezug auf Bildungsweg oder auch auf Sprache, desto eher war eine Emanzipation von der patriarchalen Gesellschaft möglich. Dies darf allerdings nicht nur einseitig positiv gesehen werden, sondern muss differenziert betrachtet werden, denn der Preis für dieses Vorgehen lag damals wie heute oft in einer Leugnung von Teilen der eigenen Identität, in einer Entfremdung von der Familie. Dieselben Diskussionen spielen auch hierzulande eine Rolle, wenn natürlich auch in anderen Kontexten.

Nicht nur deswegen lohnt sich diese Graphic Novel-Reihe sehr.

Auf Deutsch erschienen beim Carlsen Comics, aus dem Französischen übersetzt von Karl Wilksen.

 

 

 Bild: Marie Minkov